Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) übernehmen im Bewerbungsprozess immer mehr Verantwortung. Ob Lebenslauf-Screening, Matching-Systeme, Analyse von Videointerviews oder automatisierte Antworten – was für Unternehmen enorme Zeitersparnis bedeutet, fühlt sich für Bewerber oft wie eine Black Box an. Und genau hier beginnt das rechtliche Spannungsfeld: Denn hinter jeder automatisierten Entscheidung stehen Fragen zu Ethik, Fairness, Transparenz und Datenschutz.

In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf das Zusammenspiel von KI und Recruiting, schauen uns die Vorteile und Risiken im Detail an und geben Ihnen Tipps, wie Sie KI im Bewerbungsprozess rechtskonform und verantwortungsvoll einsetzen können.

Effizienz trifft Datenschutz

KI kann Personalprozesse beschleunigen, indem Systeme in Sekundenbruchteilen Qualifikationen analysieren, sie mit Jobprofilen vergleichen oder sogar in der Kommunikation mit Bewerbenden eingesetzt werden. Doch all das basiert auf der Verarbeitung personenbezogener Daten, häufig in großem Umfang: Namen, Lebensläufe, Qualifikationen, Bewerbungsfotos, Sprachanalysen etc.

Die Rechtsgrundlage für die automatisierte Verarbeitung im Bewerbungsverfahren muss eindeutig festgelegt werden. In der Regel erfolgt dies auf Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO (Erfüllung oder Anbahnung eines Vertrags). Danach ist die Verarbeitung der Daten zulässig, die im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Ausbildungs- oder Praktikumsverhältnisses, erforderlich sind.

Zusätzlich sind folgende Vorschriften zu beachten:

· Art. 5 DSGVO: Grundsätze der Datenverarbeitung (Rechtmäßigkeit, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicherbegrenzung und Integrität)

· Art. 13 und 14 DSGVO: Informationspflichten gegenüber den betroffenen Personen

· Art. 25 DSGVO: Datenschutz durch Technikgestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (Privacy by Design und Default)

· Art. 30 DSGVO: Führen eines Verarbeitungsverzeichnisses

· Art. 32 DSGVO: Implementierung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen

Besondere Herausforderung: Art. 22 DSGVO

Trifft jedoch ein KI-System eigenständig und vollautomatisiert Entscheidungen, etwa über Einladungen zu Vorstellungsgesprächen oder Absagen, findet Art. 22 DSGVO Anwendung.

Die DSGVO untersagt automatisierte Entscheidungen, die für die betroffene Person rechtliche Wirkung entfalten oder sie in vergleichbarer Weise erheblich beeinträchtigen. Die Entscheidung über eine Zu- oder Absage im Bewerbungsverfahren stellt eine solche Einzelentscheidung dar. Es bestehen allerdings Ausnahmen: Das Verbot gilt nicht, wenn die automatisierte Entscheidung für den Vertragsabschluss erforderlich ist (Art. 22 Abs. 2a DSGVO) oder mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person erfolgt (Art. 22 Abs. 2c DSGVO). Letztere muss freiwillig, informiert und widerrufbar sein. Im Bewerbungsprozess, der durch ein Machtungleichgewicht geprägt ist, ist eine freiwillige Einwilligung rechtlich oft fraglich.

Um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, KI-Systeme lediglich zur Vorauswahl der Bewerbungen zu nutzen und die endgültige Entscheidung über Zu- oder Absagen einer verantwortlichen Person zu überlassen.

Diskriminierung durch Algorithmen?

Zusätzlich ist sicherzustellen, dass die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingehalten werden. KI-Systeme dürfen Bewerber nicht aufgrund von „Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität“ benachteiligen (§ 1 AGG).

Ein wesentliches Risiko beim Einsatz von KI im Recruiting ist die Gefahr von Diskriminierung. KI-Systeme „lernen“ aus vorhandenen Daten. Sind diese historisch verzerrt – etwa durch einseitige Einstellungsentscheidungen in der Vergangenheit –, kann die KI diese Muster reproduzieren oder sogar verstärken. So könnten Bewerbende aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft oder anderen sensiblen Merkmalen benachteiligt werden, ohne dass dies auf den ersten Blick erkennbar ist.

Hier stehen Unternehmen in der Verantwortung, transparente, überprüfbare und diskriminierungsfreie Systeme einzusetzen. Das bedeutet unter anderem:

· Training und Auditierung der KI-Modelle: Sicherstellen, dass keine diskriminierenden Muster reproduziert werden.

· Dokumentation von Entscheidungswegen: Nachvollziehbarkeit der Algorithmen gewährleisten.

· Einsatz menschlicher Kontrollinstanzen („Human-in-the-loop“): Automatisierte Entscheidungen durch Menschen überprüfen.

· Regelmäßige Prüfungen auf Bias und Fairness: Systeme kontinuierlich auf Verzerrungen testen.

Ein bloßes Vertrauen auf den Anbieter der KI-Software reicht nicht aus. Unternehmen müssen nachweisen können, dass sie geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen haben – auch im Sinne der Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO.

Zusätzlich sollten Unternehmen eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) gemäß Art. 35 DSGVO durchführen, da der Einsatz von KI im Recruiting-Prozess ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen darstellen kann. Die DSFA sollte dokumentieren:

· Art, Umfang, Umstände und Zwecke der Verarbeitung

· Bewertung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit

· Bewertung der Risiken für die Rechte und Freiheiten

· Geplante Abhilfemaßnahmen

Was bringt die KI-Verordnung (KI-VO)?

Mit der neuen KI-Verordnung (KI-VO) der EU kommen auf Unternehmen weitere, spezifische Anforderungen zu. Die KI-VO stuft KI-Systeme, die im Personalbereich eingesetzt werden, als Hochrisiko-Anwendungen ein. Das bedeutet, dass besonders strenge Vorgaben gelten: Unternehmen müssen nicht nur offenlegen, dass KI im Auswahlprozess eingesetzt wird, sondern auch die Funktionsweise der Systeme dokumentieren und regelmäßig überwachen. Es sind umfangreiche Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, etwa im Hinblick auf Robustheit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Algorithmen. Zudem besteht eine Meldepflicht gegenüber den Behörden, wenn schwerwiegende Vorfälle auftreten, etwa wenn die KI nachweislich diskriminierende Entscheidungen trifft.

Auch Unternehmen, die KI-Systeme zukaufen, haften für deren rechtskonforme Anwendung. Wer auf Tools von Drittanbietern setzt, muss daher prüfen, ob diese die Anforderungen der KI-VO erfüllen – und ob der Anbieter entsprechende Nachweise (z. B. Konformitätserklärungen) vorlegen kann.

Praktische Handlungsemfehlungen für rechtssicheres KI-Recruiting

Der Einsatz von KI im Recruiting ist kein Selbstläufer. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind anspruchsvoll, aber nicht unüberwindbar. Wer KI-basierte Lösungen einsetzen möchte, sollte einen umfassenden Compliance-Ansatz verfolgen:

1. Rechtliche Due Diligence vor der Implementierung

· Durchführung einer umfassenden Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA)

· AGG-Konformitätsprüfung des Systems

· Prüfung der Anforderungen der KI-VO

· Bewertung der Drittanbieter-Compliance

2. Transparente Prozessgestaltung

· Klare Information der Bewerber über den KI-Einsatz

· Dokumentation der Entscheidungskriterien und -prozesse

3. Technische und organisatorische Maßnahmen

· Implementierung von Überprüfungsmechanismen zur Vermeidung von Diskriminierung

· Regelmäßige Audits der KI-Systeme

· Schulung der verantwortlichen Mitarbeiter

· Umsetzung des „Human in the Loop“-Prinzips

4. Vertragliche Absicherung

· Anpassung der Verträge mit KI-Anbietern

· Vereinbarung klarer Verantwortlichkeiten und Haftungsregelungen

· Sicherstellung von Update- und Support-Verpflichtungen

5. Kontinuierliches Compliance-Management

· Regelmäßige Überprüfung der Systeme auf Konformität mit neuen rechtlichen Anforderungen

· Dokumentation aller Maßnahmen im Sinne der Rechenschaftspflicht

· Anpassung an die sich entwickelnde Rechtsprechung und Regulatorik

Fazit: Innovation braucht klare Regeln

Der Einsatz von KI im Recruiting bietet erhebliche Chancen zur Effizienzsteigerung und Objektivierung des Auswahlprozesses. Doch ohne eine sorgfältige rechtliche Gestaltung können diese Vorteile schnell durch rechtliche Risiken überschattet werden.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind anspruchsvoll, aber nicht unüberwindbar. Wer KI-basierte Lösungen einsetzen möchte, sollte dies mit klaren internen Richtlinien, Datenschutz-Folgenabschätzungen (DSFA) und einem funktionierenden Compliance-Management begleiten. Nur so lassen sich die Vorteile intelligenter Systeme nutzen, ohne gegen Datenschutz- oder Antidiskriminierungsvorgaben zu verstoßen.

Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen fehlt oft das Know-how, um diese komplexen Fragen zu überblicken. Hier lohnt sich die Zusammenarbeit mit Datenschutz- und KI-Experten, um Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtskonforme Prozesse aufzubauen.

Nutzen Sie die Vorteile von KI im Bewerbungsprozess, ohne Datenschutz oder Fairness zu gefährden. Wir unterstützt Sie dabei, KI-Systeme DSGVO-konform und transparent einzusetzen.

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